Montag, 29. Januar 2007

Sesseltanz


Beim Sesseltanz (sprichwörtlich: "Reise nach Jerusalem") werden scheinbar alle Regeln des kultivierten Sitzens aufgehoben. Gleichzeitig handelt es sich um eine kreative und gleichzeitig auch sehr traditionsreiche soziale Praxis, die Stühle ins Zentrum der Betrachtung (und natürlich der Begierde) rückt. Vom Kind bis zum Erwachsenen verspricht der musikalisch untermalte Kampf um den Sessel ausgelassene Heiterkeit für alle Beteiligten. Ergo ist das ein spannendes Betätigungsfeld für Armchair-Anthropologen.


(Foto: Sesseltanz zum Faschingsfest 2006/07 Feistritzer Schule)



Youtube bietet uns ein ganzes Forschungs-Universum an Kurzfilmen zu diesem brisanten Thema.

Zum Beispiel hier: Die Roten Husaren gewinnen ihre erste Reise nach Jerusalem beim Schützenfest Morken-Harff 2006

Sitzen wird nicht nur in diesem Beispiel, sondern auch im Alltag wegen der Bequemlichkeit als Privileg gehandhabt. Außerdem gebietet es oft die Höflichkeit, sich nur nach Aufforderung zu setzen oder einem höher gestellten Gast einen Sitzplatz anzubieten. Auf Wikipedia heißt es des Weiteren: "Eine besondere Bedeutung kommt dem Sitzen in der Symbolik von Herrschaft und Dienst zu: Der Herrschende sitzt, während der Dienende zum Stehen verpflichtet ist. Der Thron eines Herrschers ist als Sitzmöbel gestaltet, meist erhöht, damit der Herrscher auch in sitzender Stellung die Untergebenen überragt. Auch sprachlich drückt „Sitzen“ oft das Innehaben einer Machtposition aus."

Beim Sesseltanz erleben diese -dem Sitzen offenbar innewohnenden- Prinzipien von Macht (und gleichzeitig auch Höflichkeit) eine radikale Demokratisierung. Alle Teilnehmer sind grundsätzlich gleichberechtigt. Alleine auf die Agilität und den Grad der Motivation der Beteiligten kommt es an. Drängeln und Schubsen sobald die Musik unterbrochen wird, sind in bestimmten Grenzen erlaubt und auch gefordert. Ein vorher bestimmter Schiedsrichter erleichtert angemessene Sanktionsfindungen. Beim Endkampf kann es Ausschreitungen geben, wie auch das Video-Beispiel zeigt.

Unklar bleibt derweil, inwieweit es vielleicht noch eine Rolle für den Sesseltanz spielt, ob erwachsene Probanden bereits vorher"einen sitzen" haben..

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